Früher, da ich unerfahren
Und bescheidner war als heute,
Hatten meine höchste Achtung
Andre Leute.

Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch andre Kälber.
Und nun schätz' ich sozusagen,
Erst mich selber.

Wilhelm Busch

Was soll ich nur von eurer Liebe glauben ?
Was kriecht ihr immer so in dunkle Lauben ?
Wozu das ew'ge Flüstern und Gemunkel ?
Das scheinen höchst verdächtige Geschichten.
Und selbst die besten ehelichen Pflichten,
Von allem Tun die schönste Tätigkeit,
In Tempeln von des Priesters Hand geweiht,
Ihr hüllt sie ein in schuldbewußtes Dunkel.

Wilhelm Busch

 

Ich hab' in einem alten Buch gelesen
von einem Jüngling, welcher schlimm gewesen.
Er streut sein Hab' und Gut in alle Winde.
Von Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde,
In tollem Drang, in schrankenlosem Streben
Spornt er sein Roß hinein ins wilde Leben,
Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand
Dahingestreckt in Sand und Sonnenbrand,
Daß Ströme Bluts aus seinem Munde dringen
Und jede Hoffnung fast erloschen ist. 

"Ich aber hoffe" - sagt hier der Chronist -
"Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen."
 
 

Im selben Buche hab' ich auch gelesen
Von einem Manne, der honett gewesen. 
Er war ein Mann, den die Gemeinde ehrte,
Der so von sechs bis acht sein Schöppchen leerte,
Der aus Prinzip nie einem etwas borgte,
Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte;
Dazu ein proprer Mann, der nie geflucht,
Der seine Kirche musterhaft besucht.
Kurzum, er hielt sein Rößlein stramm im Zügel
Und war, wie man so sagt, ein guter Christ.

"Ich fürchte nur" - bemerkt hier der Chronist -
"Dem Biedermanne wachsen keine Flügel."
 
 

W. Busch

 


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